Wir solidarisieren uns mit Betroffenen und der demokratischen, antifaschistischen Zivilgesellschaft in Thüringen und Sachsen: Gemeinsam und schon immer gegen jeden Faschismus und Rechtsextremismus
Seit 1945 sind wir nach den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen zum ersten Mal damit konfrontiert, dass eine rechtsextreme und faschistische Partei zur stärksten Kraft in einem deutschen Landesparlament gewählt wurde.
Als deutsche Sektion der Women’s International League for Peace and Freedom (WILPF) setzen wir ein klares Zeichen der Solidarität mit zivilgesellschaftlichen Organisationen, antifaschistischen Bündnissen, Netzwerken, demokratischen Initiativen und Gedenkstätten, deren Arbeit von diesen Entwicklungen nun massiv bedroht ist und die im Vorlauf dieser Wahlen Unfassbares geleistet haben und weiter unter erschwerten Bedingungen leisten werden. Ebenfalls solidarisieren wir uns mit allen Menschen, die zur Zielscheibe einer menschenverachtenden, rassistischen, antisemitischen, misogynen, homo- und transphoben, ableistischen sowie anti-demokratischen Politik werden.
Wir sind eine feministische Friedensorganisation, deren zentrales Anliegen, neben einem nachhaltigen feministischen Frieden und Abrüstung, die Stärkung von Menschenrechten auf globaler Ebene ist. Unsere Arbeit basiert auf antifaschistischen und feministischen Grundprinzipien. Im Kontext unserer friedenspolitischen Arbeit widersetzen wir uns daher der Instrumentalisierung von Begriffen wie “Frieden” im Wahlkampf der Landtagswahlen durch Akteure wie dem kontroversen BSW und der rechtsextremen und faschistischen AfD. Akteure, die faschistische und/oder verschwörungs-ideologische Narrative bedienen, setzen sich niemals für den Frieden ein, sondern spalten, verunsichern und stärken Gewaltstrukturen, die auf Hass und Ausgrenzung beruhen.
Aus unserer Liga-Geschichte geht hervor, dass wir uns als zivilgesellschaftliche Akteure schon immer solidarisch gegen jeden Faschismus und Rechtsextremismus gestellt haben – und stellen. Wir wissen durch unsere feministischen Vorkämpfer*innen und erfahren es in unserem täglichen Engagement: Das bedarf unglaublich viel Mut und Durchhaltevermögen, Kraft und Anstrengung. Indem wir uns solidarisch zeigen, möchten wir den hoffnungsvollen Gedanken weitertragen, dass ein “Sich-dagegen-Stellen” immer von einer tiefen Überzeugung FÜR etwas geleitet wird. Für uns als WILPF ist das der beständige Einsatz für Frieden und Freiheit, der uns auch weiterhin trägt. In dunklen Zeiten wie diesen möchten wir Verbündete darum daran erinnern, dass wir weiterhin zusammen kämpfen, dass wir es schon Jahrzehnte lang getan haben und so lange tun werden, wie es nötig ist. Mit dem Gedanken an das “FÜR” stärken wir uns gegenseitig, machen wir uns Mut, halten wir durch, schenken uns Kraft, teilen wir die Anstrengung.
Wir stehen mit Gefühlen der Ohnmacht und Wut vor diesen Wahlergebnissen. Sie sind auch nach 1945 der Ausdruck einer Faschisierung Deutschlands, die ein stetiger Begleiter deutscher Geschichte und Gegenwart ist, jedoch seit fast drei Jahrzehnten an Radikalität, Präsenz und Zuspruch gewonnen hat. Schon
in den 1990ern zeichneten sich neonazistische und faschistische Entwicklungen ab, die in den rassistischen, antisemitischen und misogynen Morden des NSU, in Rostock-Lichtenhagen, Mölln, Solingen, Hanau und Halle oder München wiederholt Ausdruck fanden. Zu lange wird seither von Seiten sämtlicher Bundesregierungen nach der sogenannten Wiedervereinigung nicht nur mit halbgaren Strategien gegen diskriminierendes und menschenverachtendes Gedankengut vorgegangen. Im Gegenteil: Demokratiefördernde Arbeit ist meist an projektbezogene und zeitlich begrenzte Geldtöpfe geknüpft und damit in ihrer langfristigen Wirksamkeit eingeschränkt – das gilt besonders für Teile Ostdeutschlands. Die Zunahme von rassistisch, antisemitisch und sexistisch motivierten Gewalttaten und entsprechendem Gedankengut ist erst kürzlich durch die Mittestudie der Friedrich-Ebert-Stiftung belegt worden. Dass nun das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik eine laut Verfassungsschutz gesichert rechtsextreme Partei als stärkste Kraft aus einer Landtagswahl hervorgeht, markiert eine einschneidende Zäsur in der Entwicklung der Faschisierung Deutschlands.
In Reaktion auf den wachsenden gesellschaftlichen Einfluss rechtsextremer Kräfte sind in den vergangenen Jahren sämtliche demokratische Parteien, bis auf einen Großteil der Partei die LINKE, im Bereich der Asyl- und Migrationspolitik erschreckend nah an rechtes Gedankengut der AFD und ihren europäischen Verbündeten herangerückt. Es ist längst bekannt, dass das Nachahmen rechter Rhetorik und Strategien nicht zu einem veränderten Wahlverhalten oder dem Eindämmen rechter Akteure führt. Nein. Dieses Nachahmen führt zu einer Diskursverschiebung, die auf dem Rücken derjenigen ausgetragen wird, die Ziel rechten Gedankenguts sind – Geflüchtete, BIPOC, Jüd*innen, Muslim*innen, Frauen, LGBTIQ*, Sozialhilfeempfänger*innen und Menschen mit körperlicher und psychischer Beeinträchtigung. Wir beobachten daher auch einen massiven Rechtsruck in der Sozialpolitik und eine Rückkehr zur Propagierung traditioneller Geschlechterrollen. Politische Entscheidungsträger*innen und große Teile der deutschen Zivilbevölkerung scheinen sich dabei auf dem Gedanken einer „Brandmauer“ auszuruhen, die jedoch bröckelt und bricht, wenn es brennt. Das ist nicht neu. Das hat Deutschland schon einmal erlebt und so hat sich auch 1933 der Faschismus nicht verhindern lassen.
Die kommenden Landtagswahlen in Brandenburg sowie die Bundestagswahlen 2025 verheißen ebenfalls nichts Gutes. Aber wir verlieren den Mut nicht. Innerhalb der WILPF und gemeinsam mit unseren Partner*innen in zahlreichen Bündnissen und Netzwerken – in Deutschland, aber auch international – setzen wir uns seit langem für eine menschenrechtsbasierte, feministische und antifaschistische Politik ein, und werden dies auch weiterhin aktiv tun.
Was könnt Ihr / was können wir jetzt tun?
- Vernetzt euch, tretet kritischen, demokratie-stärkenden und antirassistischen Organisationen bei, die dem Rechtsruck, Rassismus, Antisemitismus und Antifeminismus etwas entgegensetzen, und bietet eure Hilfe an.
- Fragt Freund*innen und Bekannte, wie es ihnen geht und bietet eure Unterstützung an! Zeigt, dass sie nicht allein sind. Hört zu und lasst Betroffene zu Wort kommen.
- Positioniert euch gegen Faschismus und Rechtsextremismus und FÜR ein solidarisches und gerechtes Miteinander. Dazu gehört auch, nicht in rechte Narrative mit einzusteigen und diese dadurch zu legitimieren und zu normalisieren.
- Auch im Kontext dieser Wahlen hat Sprache eine wichtige Funktion. Lasst uns darum versuchen, verallgemeinernde und abwertende Narrative über Ostdeutschland zu vermeiden und eine differenzierte Haltung einzunehmen. Vergessen wir nicht die Personen, die tagtäglich von rechter Gewalt betroffen sind und/oder sich mit aller Kraft dagegenstellen.
- Spenden: Wenn es euer Einkommen erlaubt, sendet Geld an Organisationen, damit diese auch unabhängig von Bundes- und Landesfonds und in einem stetig schrumpfenden zivilen Handlungsspielraum handlungsfähig bleiben.
Hier eine kleine Auswahl an Organisationen, die ihr in ihrer wichtigen Arbeit unterstützen könnt:
Polylux – ein Fördernetzwerk, das vor allem antifaschistische und feministische Projekte und Initiativen im ländlichen Raum in Ostdeutschland unterstützt (LINK)
Mobile Opferberatungen – unterstützt Betroffene von „rechter, rassistischer, antiromaistischer, lgbtiq*-feindlicher, sozialdarwinistischer und antisemitischer Gewalt“, ihre Freund*innen, Zeug*innen und Angehörige in Sachsen-Anhalt
MigraFem – Verein in Thüringen zur Förderung politischer Teilhabe von Frauen* mit Migrationsbiografie
Ezra – unterstützt und berät Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen
Mobit – bietet mobile Beratung für Demokratie und gegen Rechtsextremismus in Thüringen an
RAA Sachsen – Regionale Arbeitsstellen und Angebote für Bildung, Beratung und Demokratie (Sachsen)
DaMOst – Dachverband der Migrant*innenorganisationen in Ostdeutschland
Women in Exile – Initiative von geflüchteten Frauen*, um für die eigenen Rechte zu kämpfen und eine Verbindung zwischen den Themen Flucht und Feminismus herzustellen (Brandenburg)
Hier unser Statement zum Download:
Statement zu den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen