Initiiert vom Forum Menschenrechte fuhren Vertreter/innen von 20 Mitgliedsorganisationen, inkl. von WILPF Deutschland, Mitte September nach Genf zum UN Human Rights Council (UNHRC).
Ein Bericht von Andrea Johnston
Auf der Reise nach Genf gab es die Gelegenheit, Teile der 54. Sitzung des Menschenrechtsrats live mitzuerleben. Wichtiger als die Sitzungen selber sind aber die vielen Gespräche im Vorfeld und im Hintergrund, und auch davon konnten wir uns einen Eindruck machen. So gab uns u.a. die Botschafterin/ Ständige Vertreterin der Bundesrepublik Deutschland bei den Vereinten Nationen in Genf, Katharina Stasch, einen Einblick in die mühsame Arbeit im Vorfeld von Resolutionen, wo um Mehrheiten gerungen wird. Sie erklärte anschaulich, wie schmal der politische (und teilweise auch wirtschaftlich getriebene) Grad ist, wenn Resolutionen (z.B. in Bezug auf Sudan oder Äthiopien) verabschiedet werden sollen. Es müssen schwierige Kompromisse gefunden werden, die häufig nicht die Erwartungen der zivilgesellschaftlichen Vertreter/innen erfüllen.
Entsprechend eindrucksvoll waren dann Gespräche mit Vertreter/innen von NGOs. Manche davon sind dauerhaft in Genf vertreten, andere waren Aktivist*innen von Menschenrechtsorganisationen in Ländern weltweit, die sich bemühen, für ihre Anliegen im Menschenrechtsrat Gehör zu finden. Wir bekamen eine erste Ahnung davon, wie schwierig dies ist. Das fängt schon damit an, dass nicht alle Vertreter*innen von NGOs die gleichen Chancen haben, überhaupt ein Schweizer Visum zu bekommen. Und dann beginnt erst die Aufgabe, im Dickicht der staatlichen Vertreter*innen Zugang zu bekommen, um mit ihren Anliegen überzeugen zu können.
Über die Tätigkeit im Rahmen der „Special Procedures of the Human Rights Council“ erfuhren wir durch ein Gespräch mit Clément Voule, Special Rapporteur on the Rights to Freedom of Peaceful Assembly and of Association. Und von der Arbeit von „Treaty Bodies“ konnten wir uns einen kleinen Eindruck machen durch die Beobachtung einer Sitzung der „25th Session of the UN Committee in Enforced Disappearances” (CED meeting with NGOs). Das ist aus WILPF Sicht nochmal besonders interessant, da Barbara Lochbihler gewähltes Mitglied im Ausschuss gegen das Verschwindenlassen, für die Bundesrepublik ist. Barbara ist langjähriges WILPF Mitglied und u.a. ehemalige WILPF Generalsekretärin des International Secretariats von WILPF in Genf. Im CED hat sie sich mit ihrer für Serbien entsandten Kollegin Milica Kolakovic insbesondere mit dem Risiko des gewaltsamen Verschwindenlassens von Migrant*innen beschäftigt. Diese Arbeit gipfelte im Launching des “First General Comment on ‘enforced disappearances in the contextof migration’“ am 28.9.23. Dort wurde einerseits ein stärkeres Bewusstsein geschaffen für dieses in der Öffentlichkeit wenig bekannte Problem und andererseits sollen insbesondere Staaten dabei unterstützen werden, ihren aus der Menschenrechtskonvention entstehenden Pflichten nachzukommen, um diesem Problem entgegenzuwirken. In der CED-Sitzung, („CED meeting with NGOs”) konnten die unterschiedlichen Beiträge und Appelle von NGOs aus verschiedensten Ländern (teilweise live vor Ort, teilweise per Video zugeschaltet) gehört werden. Dadurch gab es einen Einblick in sehr unterschiedliche, komplexe und schwierige Situationen von gewaltsamem Verschwindenlassen in verschiedenen Ländern und Kontexten.
Einen weiteren spannenden Termin hatten wir mit Gianni Megazzeni, der von 2017 bis April 2023 Leiter der Universal Periodic Review (UPR) Branch im OHCHR war. Ganz frisch wurde Megazzeni zum neuen Vorstandsmitglied des UPR ernannt. Er war genau der Richtige, um uns einen Überblick zu geben über die Bedeutung des UPR als Instrument zur Überprüfung und Verbesserung der Menschenrechtslage in den beteiligten Ländern. Am Ende des UPR Prozesses entscheiden Regierungen selbst, welche Empfehlungen sie annehmen. Megazzeni hielt ein sehr überzeugendes Plädoyer dafür, dass der UPR ein wirksames Instrument ist, da durch ihn die Durchsetzung, Implementierung und weiteres Messen an diesen Empfehlungen möglich wird.
Das Programm hatte tolle Locations: natürlich der beeindruckende UN Palais des Nations, aber auch die Deutsche Ständige Vertretung, die Geneva Academy ofInternational Humanitarian Law and Human Rights und die die Räume der Konrad-Adenauer-Stiftung. Es gab ein interessantes Rahmenprogramm (z.B. Empfang und Abendessen in der Residenz der Deutschen Botschafterin mit Vertreter/innen von Menschenrechtsorganisationen). Alles war vom Forum Menschenrechte, insbesondere Silke Voß-Kyeck, exzellent vorbereitet worden (großer Dank an Silke!). Für mich persönlich war ein Höhepunkt, dass Barbara mir im “Palais des Nations” einen kurzen Einblick in die Ausstellung “100 Jahre Multilateralismus in Genf“ gab. Dort gibt es u.a. ein Foto von den “Representatives of pacifist feminist organizations”, einschließlich WILPF. Es zeigt die damalige Secretary Jane Addams, die 1932 eine “Petition on the occasion of the opening of the World Disarmament Conference” in Genf übergeben hat (danke Barbara!). Ein weiterer Höhepunkt für mich war, dass ich zum ersten Mal das Büro des WILPF International Secretariat in Genf gesehen habe, mich dort bei Patrizia Scanella bedanken konnte, die mir bei der Akkreditierung für das UNHRC geholfen hatte, und sogar noch kurz Madeleine Rees kennenlernen durfte.
Insgesamt war es aus meiner Sicht eine wirklich beeindruckende und spannende Reise in die Welt der mühsame aber extrem notwendigen UN-Menschenrechtsarbeit und deren Unterstützung, Begleitung und Überprüfung durch zivilrechtliche Organisationen.